Finanzkrise in Städten und Gemeinden fördert extremes Wahlverhalten

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Die Haushaltslage der Kommunen verschlechtert sich aktuell drastisch, kaputte Straßen und Gebäude können deshalb nicht saniert werden. Eine Studie zeigt, wie der Zustand der Infrastruktur und die Neigung zur Stimmgabe für extreme Parteien zusammenhängt.

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft hat strukturschwache Regionen untersucht und dabei einen Zusammenhang zwischen ökonomischen Faktoren und den Stimmanteilen von rechtspopulistischen Parteien nachgewiesen (die Studie ist hier zu finden). Danach sank der Stimmanteil für die rechtspopulistischen Parteien im Durchschnitt um zwei bis drei Prozentpunkte, wenn eine Region Fördermittel von der Europäischen Union erhielt und dadurch die Situation vor Ort verbessern konnte. Zugleich stieg das Vertrauen in demokratische Institutionen.

„Die Studie zeigt es deutlich: Handlungsfähigkeit vor Ort und die Vermittlung von Perspektive schaffen Vertrauen in der Bevölkerung und sichern damit die Demokratie. Eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen und für uns endlich eine Lösung der Altschuldenfrage sind dafür die Voraussetzung“, sagen Christoph Gerbersmann und Martin Murrack, Sprecher des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“. „Die Bürger müssen sehen, dass die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können und für sie da sind“.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Zahlen umso alarmierender, die die kommunalen Spitzenverbände (Städtetag NRW und Städte- und Gemeindebund NRW) gerade veröffentlicht haben. Ihre Umfrage ergab, dass fast alle Städte und Gemeinden die Aussichten bis 2028 als schlecht oder sehr schlecht bewerten. Ausgeglichene Haushalte werden zur Seltenheit, die Kommunen müssen in hohem Maße ihre Reserven aufbrauchen, rutschen in die Überschuldung oder sind bereits in der Haushaltssicherung.

Beim Blick auf die Ursachen sieht man, dass die Betroffenen weitgehend unverschuldet finanzschwach geworden sind. Bund und Länder delegierten und delegieren immer weitere Aufgaben an die Städte und Gemeinden, ohne für einen angemessenen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Der Satz „Wer bestellt, bezahlt“ gilt offensichtlich nicht. Bund und Länder zwingen die Kommunen so, sich zu verschulden, um Aufgaben erfüllen zu können, die ihnen auferlegt wurden.

Folglich tragen die beiden Ebenen besondere Verantwortung, das Problem zu lösen. Ein zentraler Schritt dafür ist die Altschuldenlösung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundes. NRW hat im Juni einen Vorschlag veröffentlicht, der Bund hat die schwierige Lage der Kommunen anerkannt, aber noch keine Altschulden-Regelung in den Haushaltsentwurf aufgenommen. „Es müssen jetzt dringend Gespräche zwischen Bund und NRW stattfinden, damit wir noch in diesem Jahr zu einer Lösung kommen“, sagten die Sprecher des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“.

Dabei verweisen die beiden auf das Modell, das das Aktionsbündnis entwickelt hat: Das sieht folgende Anteile an der Lösung: Das Land NRW gibt wie angekündigt jährlich 250 Millionen Euro über 30 Jahre. Die betroffenen Kommunen übernehmen ebenfalls 250 Millionen Euro jährlich über den genannten Zeitraum. Und der Bund steuert passend seine Hälfte, also 500 Millionen Euro, jährlich bei.

Zugleich muss sichergestellt werden, dass keine Neuschulden entstehen. In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage ist der Finanzrahmen auf allen Seiten begrenzt. Die Situation wird nur schrittweise überwunden werden können. Diese Schritte müssen aber jetzt festgelegt und eingeleitet werden. Die Bürger müssen sehen, dass Politik lösungsorientiert handelt und etwas passiert. Dazu schlägt das Aktionsbündnis drei Maßnahmen vor:

  • Erhöhung der Verbundquote in Nordrhein-Westfalen: in einem ersten Schritt auf zunächst 25 Prozent
  • Reform der Förderpolitik: Lichten des heutigen Förder-Dschungels, damit das Geld auch bei denen ankommt, dies es brauchen und nicht nur bei denen, die es sich leisten können, an den aufwändigen Antragsverfahren teilzunehmen. Dies ließe sich mit einer Halbierung der Zahl der Förderprogramme von Bund und Länder unter Beibehaltung der Gesamtfördersumme erreichen.
  • Infrastruktur- und Instandhaltungsfonds: Sondermittel über zehn Jahre, die den Kommunen ermöglichen, ihren gewaltigen Investitionsrückstand aufzuholen – und der fatalen Verbindung von schlechter Infrastruktur und extremem Wahlverhalten entgegenzuwirken.

Fazit: Wenn hier keine nachweisbaren Erfolge erzielt werden, können die nordrhein-westfälischen Kommunen, die Aufgaben die Bund und Land, aber auch die Bürger von Ihnen erwarten nicht mehr in Gänze erfüllen. Wenn Lösungen unterbleiben, wird die Unzufriedenheit der Bürger weiter zunehmen („Für alles ist Geld da, nur nicht für unsere Kommune.“)